Glück muss man haben, denken wir, als wir bei schönstem Sommerwetter früh starten und an das gestrige Wetter mit 35°C und nachfolgenden Gewittergüssen denken, die hier, wie wir am weggespülten Boden häufig sehen werden, besonders gewütet haben müssen. Dabei vergessen wir das alte Sprichwort, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll. Oder auch: Das dicke Ende kommt immer zuletzt.
Wir finden den Einstieg in die neue Etappe und sehen das Schloss Lanke von hinten. Stehenbleiben können wir aber nicht, weil wir nicht ausgesaugt werden wollen: Hitze + Feuchtigkeit = Stechmücken. Also: Immer in Bewegung bleiben („sempre in giro“, wie der Italiener zu sagen pflegt). Wir laufen alsbald am Hellsee (18) entlang, der wunderbar still und mit völlig unbebauten Ufern neben uns liegt. Am Ende des Sees hofft der Schulfreund sehnsüchtig auf den ersten Kaffee des noch jungen Tages in der Hellmühle. Wenn es sich dabei um ein Restaurant handeln sollte, ist es als solches weder zu finden, noch gibt es einen Eingang oder auch nur ein Hinweisschild. Also ohne Kaffee weiter. Am Hellmühlenfließ wandern wir direkt neben dem plätschernden Bach, auf schmalem, naturbelassenem Weg.
Bevor wir das Fließ überqueren, wollen wir noch lesen, was vor uns Wandernde im Wanderbriefkasten hinterlassen haben, brechen den Versuch aber nach wenigen Lesezeilen wegen der Mücken ab. Wenig später erblicken wir den vorhergesagten Kirchturm von Biesenthal. Für die 6 km Wanderstrecke haben wir mehr als zwei Stunden benötigt, obwohl wir normal gelaufen sind. Jetzt gibt es im türkischen Bistro endlich den Kaffee, bzw., für den Schulfreund, die Kaffees. Kurz nach Biesenthal werden uns im Reschke („66-Seen-Wanderung“, S.103) die Varianten A bis D als Fortsetzung des Wegs nach Melchow zur freien Auswahl vorgestellt. Zur Variante D heißt es wörtlich: „Dies ist die bei vielen Wanderern beliebteste Variante“. Wir haben uns erst hinterher gefragt, ob Manfred Reschke wohl eine statistische Auswertung der ersten 2000 Begehungen der vier Wegmöglichkeiten durchgeführt hat oder ob er einfach nur seine eigene Vorliebe mitteilen wollte. Es stellt sich heraus, dass die „beliebteste Variante“ eher der Aussage eines Kellners im Fischrestaurant ähnelt, der den Gästen die leicht grünlich glitzernden und bereits etwas streng riechenden Forellen mit der Bemerkung anbietet:“ Die werden sehr gerne genommen“. Nur ist die Motivation des Kellners in diesem Falle klar, die Manfred Reschkes jedoch, uns komplett in die Irre zu führen, nicht! Die gesamte Beschreibung verliert alsbald ihre Stimmigkeit und wir gelangen zu einer wunderbaren, seit einem Jahr nicht gemähten Wildwiese mit mannshohem Gras, durch das wir uns wie
die Siedler im Wilden Westen vor dem Bau der Eisenbahn durchkämpfen müssen und deren Existenz wir seit der Ausrottung der Büffel nicht mehr erwartet haben. Positiv bleibt anzumerken, dass wir weder auf Indianer noch auf Bisonherden gestoßen sind. Den beschriebenen und in der Karte abgebildeten Buchspfuhl finden wir jedoch nicht. Nur unserem ausgeprägten Orientierungssinn, gepaart mit einem überdurchschnittlichen Überlebenswillen, ist es zu verdanken, dass wir den Weg zum Bahnhof Melchow doch noch finden. Eine oberflächliche Körperkontrolle ergibt wider Erwarten keinen Zeckenbefall. Eigentlich wollten wir bis Schönholz marschieren, für heute ist unser Bedarf an Naturerlebnissen aber überreichlich gedeckt. Die Regionalbahn bringt uns nach kurzer Wartezeit nach Bernau und von dort mit der S-Bahn nach Berlin.