Das Leben ist ja kein Schlager: „Tausendmal ist nichts passiert“ wäre schön, aber sieben Mal ist ja auch schon was. Jetzt, bei der achten Anreise erwischt es uns. Während drei Mitstreiter auf dem Bahnsteig in Bernau stehen und in den Zug nach Melchow einzusteigen gedenken, machen mir „Verzögerungen im Betriebsablauf“, die als Grund für die Verzögerungen im Betriebsablauf angegeben werden, zu schaffen. Der Zugführer hat dann auch keine Lust mehr und schmeißt die Leute in Buch erstmal alle raus. Das haben sie jetzt davon, dass sie mit der S-Bahn fahren. Könnten ja auch das Auto benutzen, wie jeder normale Mensch. Irgendwann erreicht man aber immer sein Ziel, wir haben aber keine Lust, 50 Minuten auf den nächsten Zug zu warten und unterstützen den lokalen Mittelstand, indem wir uns ein Taxi spendieren. Der Taxifahrer erweist sich als einer von uns: Er kennt Jimi Hendrix natürlich noch.
Wir beginnen unsere Tour am Bahnhof Melchow, gehen an der denkmalgeschützten Alten Schmiede vorbei (etwas heruntergekommen) und verlassen den Ort, nicht ohne die „schönen alten Häuser“ gesehen zu haben, von denen Reschke in seiner Wanderfibel schwärmt. Es geht heute unspektakulär durch den Wald, durch den schon Napoleon auf seinem vergeblichen Weg zur Weltherrschaft und Friedrich II aus unbekannten Gründen dahin ritten. In Schönholz kehren wir schon nach einer knappen Stunde ein, weil der Garten eines Gasthofs lockt. Leider gibt es keine Soljanka, die Tomatensuppe und die Käsesüppchen enthalten aber auch viel Undefinierbares. Der Besitzer, schon auf die achtzig zugehend und sehr an James aus „Dinner for one“ erinnernd, unterhält uns während der Wartezeit auf Suppen und Kohlroulade mit Lebensweisheiten und selbsterfundenen Witzen, deren Pointen sich uns nicht immer bis in die letzten Feinheiten erschließen.
Kurz nach dem Weitermarschieren überqueren wir das Nonnenfließ. Obwohl wir mit den Empfehlungen von Herrn Reschke schon unsere Erfahrungen gemacht haben, wollen wir doch den bis auf zwei Feuerlöschteiche einzigen See der Tages, Bornemanns Pfuhl, ansehen. Zwar biegen wir genau nach Vorschrift am Findling rechts ab, finden den Pfuhl aber trotzdem nicht (verlandet?, in der neu angelegten Schonung versteckt?). Unsere Trauer über das Missgeschick hält sich in sehr engen Grenzen. Der nördlichste Punkt der 66-Seen-Tour ist erreicht, da es ab jetzt nach Süden geht, müsste es eigentlich kontinuierlich wärmer werden. Nach nur noch zwei Kilometern sind wir in Trampe. SPD- und NPD-Wahlplakate teilen sich friedlich die Laternenpfähle, andere Parteien scheint es nicht zu geben. Über viele Stationen (Bus bis Werneuchen, Regionalbahn bis Lichtenberg, S-Bahnen zum jeweiligen Wohnort) erreichen wir schließlich die Berliner Heimat.