Auf stattliche acht Personen ist unsere Wandergruppe inzwischen angewachsen, die letzten beiden erreichen den Zug am Bahnhof Friedrichstraße mit Müh und Not… Um 9 Uhr 06 starten wir am Bahnhof in Füwa, wie es von Insidern genannt wird, und gehen noch kurz durch die Innenstadt, um zu unserer Wanderroute zu gelangen. Dass 80% der Bebauung im 2. Weltkrieg zerstört wurden, merkt man, obwohl nach der Wende größere Baulücken durch ein (wie überall) architektonisch bescheidenes Einkaufscenter und allerlei andere nicht erwähnenswerte Baukörper geschlossen wurden. Der Dom ist kurz vor zehn noch verschlossen, öffnet sich aber sogleich und wir werden außerhalb der Öffnungszeit zur Besichtigung eingelassen. Geht doch. Von so viel spontaner Geste überrascht, sehen wir uns das nach der fast völligen Zerstörung wieder aufgebaute Gotteshaus an. Die halben bis dreiviertel Säulen wurden stehen gelassen, obwohl sie das moderne Dach nicht mehr tragen müssen. Für die kleine Gemeinde ist ein Raum im Raum, mit Glaswänden abgeteilt, geschaffen worden. Ein sehr gelungenes Stück Restaurierung.
Nach Ansicht von Zilles Hochzeitshaus und einigen Informationen über das segensreiche Wirken der Stasi in den späten 80-er Jahren, überqueren wir die Spree auf der Stadtbrücke und marschieren ohne Gleichschritt in Richtung Rauen. Es geht nach Südwesten aus Fürstenwalde hinaus durch Straßen mit Einfamilienhäusern. Wir bewundern die unendliche Vielfalt der Zäune, die aus der DDR-Zeit stammen. Da soll noch mal einer was von der Gleichmacherei des Sozialismus schwätzen. Zumindest was Gartenzäune angeht, war die sozialistische Zeit ein Hort des Individualismus. Das unselige Wirken von Baumarktketten lag noch in weiter Ferne…Wir müssen auf nicht allzu attraktiver Strecke auf der Straße laufen, bis wir kurz vor Rauen an eine Abzweigung, die unter der Autobahn hindurchführt, mit dem bekannten blauen Punkt gelangen. Wir gehen aber geradeaus, denn wir hoffen optimistischer Weise, dass wir im Ort auf eine Nahrungsquelle stoßen werden, obwohl erstens November, zweitens Montag und drittens sowieso nichts los ist. Tatsächlich hat das Restaurant in der Nähe der sehenswerten Feldsteinkirche erst ab Mittwoch, 16 Uhr geöffnet und zweieinhalb Tage Wartezeit empfinden wir ohne weitere Diskussion als etwas zu lang. Auch unsere Hoffnung, das Eiscafé „Oase“ würde uns kalorienmäßig helfen, erweist sich als trügerisch. Erst im nächsten Frühling geht’s hier weiter. Da erscheint die Wartezeit bis Mittwoch schon wieder in einem freundlicherem Licht. Aber es gibt ja noch die gute alte Landbäckerei, und die hat geöffnet und bietet außer frischem Bohnenkaffee selbstgebackenen Kuchen zu Vorkriegspreisen, oder sagen wir besser zu Vorwendezeitpreisen, an. 50 Cent für ein Stück guten Streußelkuchen sind wahrlich nicht überteuert!
Jetzt können wir uns dorfauswärts unter der Autobahn hindurch den Rauener Bergen zuwenden. Die Beschreibung im Buch ist etwas verwirrend, weil es viele Varianten gibt. Wir richten uns einfach nach dem blauen Punkt, bzw. den vielen Hinweistafeln, die uns sicher zu den Markgrafensteinen führen. Dass die Schale, die vor Schinkels Altem Museum im Lustgarten liegt, aus dem großen Markgrafenstein gefertigt wurde, ist ja allgemein bekannt. Spezialkenntnis vermittelt uns der Wissende, indem er uns erklärt, dass auch die Säule auf dem früheren Belle-Alliance-Platz, dem heutigen Mehring-Platz, aus dem „Abfall“ des Schalenmaterials gefertigt wurde.
Wir wandern bei herrlichem Sonnenschein zum Sendeturm und weiter zum neu erbauten Aussichtsturm, der im Reschke-Buch noch nicht erwähnt werden konnte. Ein Erklimmen der 36 m hohen Aussichtsplattform ist in jedem Fall empfehlenswert, wenn man nicht unter Höhenangst leidet, da der Turm ein Metallfachwerkbau ist, der dem Blick in die Tiefe nichts entgegensetzt. Dass er bei Windstärke 3 bis 4 ordentlich schwankt, wird jeder Ingenieur beruhigend erklären können, verursacht aber trotzdem bei dem einen oder anderen ein leicht mulmiges Gefühl im Magen. Einen Euro kostet der Spaß, eigentlich pro Person, es passen aber auch jeweils zwei schlanke Menschen in die Drehkreuzsperre (Rucksack wie in der U-Bahn: Bitte abnehmen!). Die Aussicht ist großartig, man ahnt den Fernsehturm, sieht den Scharmützelsee im Gegenlicht glänzen und ansonsten ganz viel herbstlich-bunten Wald.
Nachdem wir mit 150 m den höchsten Punkt der 66-Seen-Wanderung erreicht haben, geht es jetzt immer abwärts zum Petersdorfer See (41). Weil Montag ist, haben die Cafés und Restaurants natürlich geschlossen, was uns nicht stört, wir sind schon ganz auf das Tagesziel, den Scharmützelsee, fixiert. Der Weg verläuft anfangs neben der recht stark befahrenen Straße, bis er halbrechts abzweigt und schließlich auf eine große Wiese trifft. Wir laufen nun auf dem Bad Saarower Max-Schmeling-Rundweg. Das ehemalige Haus des Boxweltmeisters sehen wir am anderen Ende der Wiese, während wir dem „Märkischen Meer“ entgegenwandern. Wir suchen nicht lange, sondern steuern auf das einigen Mitwanderern bekannte Restaurant des Theaters zu. Auf der Terrasse stehen noch Stühle mit Decken, so dass wir uns tatsächlich noch draußen, mit unverstelltem Blick auf den Scharmützelsee (42), niederlassen können. Die Bedienung ist nett, Speisen und Getränke nicht billig aber gut (Fischsuppe bekommt einige Sterne weniger) und die Sonne versteckt sich alsbald hinter Wolken. Weil wir den nächsten der stündlich fahrenden Züge erreichen wollen und es recht kühl geworden ist, brechen wir Richtung Bahnhof auf, der näher als erwartet ist, so dass wir doch noch ein Weilchen auf die Bahn warten müssen. Aber: Anders als vorhergesagt, regnet es ja nicht. Eine glatte Stunde Fahrzeit bis Friedrichstraße (umsteigen mit direktem Anschluss in Fürstenwalde) vergeht schnell.